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Stiftungswesen

Das Stiftungswesen ist ein auf den ersten Blick marginaler Teil von Gesellschaft. Man kann es aber auch als Schlüssel nutzen, um Zugang zu den großen gesellschaftlichen Fragen zu bekommen.

Stiften hat zunächst etwas mit Vermögensnachfolge (besonders bei Kinderlosigkeit und hohen Erbschaftssteuern) zu tun, natürlich mit Philanthropie (also Menschenfreundlichkeit oder neudeutsch-despektierlich Gutmenschentum), mit privater, demokratisch nicht kontrollierter, öffentlicher Intervention.

In der Stiftungspraxis geht es immer auch um die großen Fragen von Arm und Reich, Hilfe und Abhängigkeit, Staat und Zivilgesellschaft, Vermögensanlage und selbstloser Mittelverwendung, Einzelfallhilfe und Strukturveränderungen, Eigennutz und Gemeinsinn, Intention und Wirkung bzw Nebenwirkung, Experimentiergeist und Nachhaltigkeit, Werte und Pragmatismus, Seelenheil und politisches Sendungsbewusstsein, Kapitalismus, Sozialismus und Gemeinwohl-Ökonomie. Nicht zu vergessen die Sinnfragen von Gesellschaft, Kultur, Politik und individuelle Existenz.

Fast 40 Jahren im Stiftungssektor bieten mir ein reiches Anschauungsmaterial für all dies – im Kleinen wie im Großen.

Der Fachdiskurs im Stiftungswesen bewegt sich dagegen im Dreieck von professionellem Know-How unter dem Einfluss von Steuer- und Rechtsfragen, von Success Stories zu Einzelthemen und von großen (zur Selbstüberschätzung neigenden) Wirkungsvisionen z. B. im Bereich Integration, Klima, Bildung bzw. quer dazu Mission investing.

Die öffentliche Wahrnehmung von Stiftungen polarisiert sich eher in Richtung kritikloser Rezeption der Selbstauskünfte von Stiftungen bzw. eines uninformierten Pauschalressentiments gegenüber der Institution Stiftung.

Die übergreifenden Sinn- und Strukturfragen des Stiftungswesens werden dagegen kaum in den Blick genommen. Nicht von den auf Tagesgeschäft und organisationale Eigeninteressen fokussierten Stiftungen, nicht von der Wissenschaft, der Politik oder den Medien. Da mögen Sympathien für die gute Absicht eine Beißhemmung auslösen. Der Hauptgrund ist aber wohl die Komplexität, Sperrigkeit und schwere Durchschaubarkeit des Stiftungsfeldes, die ein fantasievolles Brainstorming zur Entwicklung produktiver Fragen und Thesen nicht leicht macht.

Vergleicht man allerdings die deutsche und die US-amerikanische Debatte zum Stiftungswesen, zeigt sich, dass viel mehr an wissenschaftlicher und intellektueller Auseinandersetzung möglich ist als bei uns.

Nach Jahrzehnten als Stiftungsmitarbeiter, Stiftungsgeschäftsführer, Stiftungsvorstand und Stiftungsberater und nicht zuletzt als Stifter gilt mein Interesse heute besonders diesen großen übergreifenden Fragen des Stiftens und der Stiftungsarbeit.

Dazu steuere ich gedankliche Impulse in Texten, Vorträgen und Diskussionen bei.